Mehrheit der liberaleren Muslime in Deutschland für Ehe-Öffnung

Mehrheit der liberaleren Muslime in Deutschland für Ehe-Öffnung

 Studie der Bertelsmann-Stiftung

In Deutschland stimmen rund 67 Prozent der wenig religiösen und rund 60 Prozent der ziemlich oder sehr religiösen Muslime der Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben zu. Werden die hochreligiösen Muslime einbezogen, die mit 40 Prozent Zustimmung das Ergebnis deutlich abschwächen, liegt die Unterstützung mit 48 Prozent noch immer bei rund der Hälfte.Nach dem Terror-Anschlag gegen „Charlie Hebdo“ ist die Islam-Debatte auch in Deutschland erneut aufgeflammt. In einer neuen Studie heißt es aber, dass Muslime viel liberaler sind als viele denken.

Das ist das Ergebnis einer Studie der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. In der „Sonderauswertung Islam“ werteten die Politikwissenschaftler Professor Dirk Halm und Dr. Martina Sauer unter anderem Daten des Religionsmonitors 2013 aus.

Laut der Untersuchung sind deutsche Muslime zwar religiöser als deutsche Christen (70 Prozent der Katholiken, 78 Prozent der Evangelen unterstützen die Ehe-Öffnung) und fühlen sich über Generationen hinweg eng mit ihrem Glauben verbunden. Allerdings seien ihre Werthaltungen „liberaler als häufig angenommen“.

Insbesondere im Vergleich zu Muslimen in der Türkei, dem Hauptherkunftsland der deutschen Muslime, zeigten sich große Unterschiede unter den Gläubigen. Dort seien nur 33 Prozent der Mittelreligiösen und zwölf Prozent der Hochreligiösen für diesen Schritt. Der geringere Unterschied zwischen diesen Gruppen in Deutschland könne „als eine zunehmende Entkopplung von ethisch-moralischen Vorstellungen und der Glaubensintensität interpretiert werden“, sagt die Studie.

Warnung vor Zunahme der Islamophobie

Die Autoren der Studie beklagen, dass die Verbundenheit der Muslime mit Deutschland und seinen gesellschaftlichen Werten die Vorteile der deutschen Mehrheitsbevölkerung nicht abbauten – ganz im Gegenteil: In den letzten zwei Jahren habe die generelle Ablehnung von Menschen muslimischen Glaubens „noch deutlich zugenommen“. Insbesondere in Ostdeutschland, wo kaum Muslime lebten, seien die Vorurteile besonders ausgeprägt. Das nütze insbesondere rechtspopulistischen Parteien. „Wenn Muslime im eigenen Wohnumfeld leben und erfahren wird, dass keine reale Gefahr von ihnen ausgeht, fällt das Bedrohungsempfinden geringer aus“, heißt es in der Studie.

„Für Muslime ist Deutschland inzwischen Heimat. Sie sehen sich aber mit einem Negativ-Image konfrontiert, das anscheinend durch eine Minderheit von radikalen Islamisten geprägt wird“, kommetierte Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der Bertelsmann-Stiftung, die Ergebnisse. Als Lösung schlägt die Studie vor, dass die Gesellschaft mehr „Gelegenheit für Begegnung und Dialog zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen bieten“ solle, um deutsche Muslime in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Ein derartiger Dialog zwischen LGBT-Aktivisten und einer Berliner Moschee ist allerdings vor wenigen Wochen gescheitert (queer.de berichtete).

Bereits im letzten Jahr veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung ihre Studie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Dabei kam heraus, dass die Akzeptanz von Homosexuellen steigt. Allerdings sinkt sie gegenüber Ausländern, die von Deutschen immer häufiger als Bedrohung angesehen werden (queer.de berichtete). (dk)

Korrektur: In der ursprünglichen Version dieses Artikels hieß es unter Berufung auf eine missverständliche Pressemitteilung, eine Mehrheit der deutschen Muslime unterstütze die Ehe-Öffnung. In Wirklichkeit sind es laut der Bertelsmann-Studie 48 Prozent und eine deutliche Mehrheit bei nicht- oder mittelreligiösen Muslimen. Wie inzwischen oben näher dargelegt, drücken Hochreligiöse das Ergebnis nach unten.

Links zum Thema:
» Pressemitteilung Religionsmonitor
» Religionsmonitor – Sonderauswertung Islam (PDF)
Mehr zum Thema:
» Muslimische Gruppe: Homosexualität „weder sündhaft noch krankhaft“ (06.12.13)
» Frankreich: Satiremagazin mit schwul-muslimischer Titelseite (08.11.11)

(Quelle: Queer.de; 08.01.2015)

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