Liebe TänzerInnen und Tanzinteressierte,
seit Mitte der 90er Jahre bin ich, ´mal mehr oder weniger intensiv und mit zwischenzeitlichen Pausen, als Kursteilnehmer oder als Partybesucher in der gleichgeschlechtlichen Paartanz-Szene in Berlin unterwegs….
Meine Tanz-Vorgeschichte begann im späten Jugendalter, als ich Ende der 70er Jahre in der Provinz – so wie viele andere meiner MitschülerInnen – mit Standard- & Latein-Tanzkursen begann, was einerseits viel Spaß machte, aber andererseits auch recht steif und humorlos war. Und zu allem Überfluss wurde auch noch versucht, den KursteilnehmerInnen verstaubte Frauen- und Männerrollen, entsprechende Verhaltensweisen und antiquierte „Benimmregeln“ einzutrichtern.
Diese Herangehensweise hat vielen Menschen zumindest den Spaß verdorben und einige sogar nachhaltig geschädigt. Etliche gaben schon bald wieder das Paartanzen auf und taten es als „spießig“ ab. Manche konnten nur nach langwieriger traumatherapeutischer Behandlung wieder eine "Tanzschule" betreten.
Als eine kleine Gegenbewegung entstand (ab ca. Mitte der 80er Jahre) zumindest in den großen Städten eine „alternative“ Tanzszene, in der die Freude am Tanzen im Vordergrund stand und der unnötige sonstige Ballast, also Benimmregeln usw., keine Rolle mehr spielten …. Zumindest für die heterosexuellen und/oder gemischt-geschlechtlich Tanzenden, denn gleichgeschlechtliches Paartanzen im öffentlicheren Raum gibt es vermutlich erst ab Anfang der 90er (und wahrscheinlich erst einmal in der Frauen- oder Lesbenszene ?).
Was war es für ein ungewohntes Gefühl, aber auch für eine Befreiung, als ich 1994 erstmals in einen reinen Männertanzkurs ging, um mit anderen Männern tanzen und auch um mit Führen & Folgen etc. experimentieren zu können! Harry und Erhard, zwei schwule Tanzlehrer der alternativen Tanzschule Taktlos, deren Unterricht in den schönen Räumen des Nachbarschaftsheims Urbanstraße in Berlin-Kreuzberg stattfand, begannen Männertanzkurse unter dem Logo „mann tanzt“ anzubieten.
Nach dem Anfängerkurs kamen Fortgeschrittenenkurse etc., die Teilnehmerzahl sank natürlich im weiteren Verlauf, und nach ca. zwei Jahren vereinigten wir uns in einem „E-Kurs“ o.ä. mit den „Resten“ der gemischtgeschlechtlichen Tanzkurse. Das war dann noch einmal eine ganz neue Erfahrung, vor allem für die Männer, die die folgende Rolle tanzten, da sie ja bei den Partnerwechseln jetzt auch mit Hetero-Männern tanzen mussten (und auch die Hetero-Männer, die immer nur mit Frauen getanz hatten, mussten sich erst an diese für sie ungewohnte Situation gewöhnen, doch die meisten kamen nach einer Weile ganz gut damit zurecht).
Ende 1998 hörte ich von einem Tanzsportverein, einem gemischt-geschlechtlichen, in dem Dirk Heidemann, ein erfolgreicher Latein-Turniertänzer und Trainer mehrerer Weltmeisterpaare, gerade dabei war, eine gleichgeschlechtliche Abteilung mit dem Namen „Pinkballroom“ zu initiieren. Das war noch einmal eine neue und interessante Erfahrung, Mitglied zu sein in solch einem doch recht traditionellen Verein (der einen Teil des Turnsportmilieus mit den für mich als befremdlich erlebten Geschlechterklischees und -kleidungsstilen repräsentierte). Aber soweit ich das mitbekommen habe, sind wir recht freundlich aufgenommen worden und im Verlauf der Zeit lernten sich beide „Seiten“ besser kennen und schätzen.
Das Training, das wir dort in Latein und Standard erhielten war jedenfalls sehr gut, auch wenn uns damals manchmal das stundenlange Üben, Wiederholen und Korrigieren von Bewegungs-, Haltungs- oder sonstigen körpertechnischen „Details“ recht anstrengend und etwas übertrieben erschien. (Sowohl ich als auch meine beiden Tanzpartner, die ich in den ca. drei bis vier Jahren meiner Zeit bei Pinkballroom hatte, wollten nicht an Turnieren teilnehmen, und wir haben uns auf „Breitensport“ beschränkt – aber die TrainerInnen und das normale Training waren ja dasselbe; TurnierteilnehmerInnen haben zusätzlich noch viele Einzelstunden genommen, um an ihren Choreographien zu arbeiten). Das normale Breitensport-Training allein bildete schon eine gute und nachhaltige Grundlage für spätere, weitere Tanz- und Lernerfahrungen, auch wenn etliche Details, die dann nicht mehr geübt oder getanzt wurden, natürlich im Laufe derZeit verloren gingen.
Die Vorgeschichte von GleichTanz.de
Seit Herbst 2011 lerne ich Salsa (und Rueda de Casino, das ist ein Salsa-Kreistanz) in einem Kurs von Vorspiel. Nach einer Weile stellte sich für mich und andere jedoch das Problem, dass frau oder mann außerhalb des Kurses nur selten Gelegenheit hatte, gleichgeschlechtlich Salsa zu tanzen. Neben der Party Latinmania, die unser Tanzlehrer Ingmar alle drei Monate veranstaltet, gibt es nur noch die wenigen in dieser Webseite aufgelisteten gleichgeschlechtlichen Partys, auf denen nach unserer Kategorisierung aber „alle Tänze“ getanzt werden und das heißt, dass die meisten der 10 Standard&Latein-Tänze gespielt werden (wobei SlowFox selten und PasoDoble fast nie aufgelegt zu werden scheinen), und dann noch DiscoFox, Foxtrott, argent. Tango, Swing, Tanz XY und als ein Tanz unter vielen auch ´mal eine Salsa!
Deshalb begann ich, die Erfahrungen einiger Salsa-MittänzerInnen, die sie in gemischtgeschlechtlichen Salsa-Clubs gemacht hatten, zu sammeln und versuchte, gemeinsame Kleingruppen-Besuche zu solchen Clubs und Partys zu organisieren. Das war aber alles etwas aufwendig und wenn andere (in der Regel eher kurzfristig) was initiieren wollten, lief das oft über mich, weil ich Mailadressen gesammelt und einen Verteiler erstellt hatte, und dann kamen auch die Antworten zu mir zurück usw. usf.
"Das muß doch auch ohne mich funktionieren… und kann doch nicht so viel Arbeit sein, einen Blog oder so was ähnliches einzurichten", dachte ich naiverweise, als ich schließlich „eine ganz kleine Webseite mit ein paar Infos über Salsa-Clubs“ und ein „Forum, in dem Interessierte sich selbst austauschen können“ zu erstellen begann. Der Aufwand war und ist enorm, viel Arbeit läuft im „Hintergrund“ und ist oft gar nicht als ein nachlesbares Ergebnis auf der Webseite abzulesen.
Denn da ich ja auch gerne Standard & Latein tanze, sollte das auch noch mit hinein. Und da ich gleichgeschlechtliches Paartanzen als eine emanzipationspolitisch wichtige Aktivität bewerte und es darüber hinaus auch noch so viel Spaß macht, das ich dafür gerne die Werbetrommel rühre, ist GleichTanz.de größer geworden als ursprünglich angedacht.
Weshalb GleichTanz.de?
In Berlin (und auch in anderen Städten) sind immer wieder einige Leute seit etwa den 90er Jahren engagiert, um Tanzkurse, Partys usw. für gleichgeschlechtliches Paartanzen auf die Beine zu stellen. (Vielen Dank an alle, die in der Vergangenheit mit ihrem Einsatz die schwullesbische Szene damit sehr bereichert haben bzw. sie in der Gegenwart bereichern!!). Mittlerweile gibt es ein breiteres Angebot an Tanzkursen, Partys, Veranstaltungen und anderen Tanzmöglichkeiten (bis hin zu einem jährlichen Turnier in Standard & Latein). Der Überblick über diese Angebote ist aber nicht immer so leicht zu erhalten, manche konkurrieren (terminlich) evtl. auch miteinander, und nicht alle Interessierten bekommen von den für sie „passenden“ Möglichkeiten ausreichend Kenntnis.
Vor diesem Hintergrund möchte ich mit dieser Webseite einen Beitrag leisten, um Infos und Termine und auch Erfahrungen & Bewertungen zu den Gleichtanz-Angeboten zu bündeln und für die potentiellen InteressentInnen überschaubar aufzubereiten. Darüber hinaus sollen auch gemischt-geschlechtliche Tanzangebote vorgestellt und nach der Möglichkeit, dort auch als gleichgeschlechtliches Paar zu tanzen, bewertet werden.
An der Erstellung von GleichTanz.de arbeite ich seit Mai 2013 – mit technischer Unterstützung von Kai Richter -, und Mitte Juni ist sie (allerdings mit vielen unfertigen Unter-Seiten) ans Netz gegangen, anläßlich des schwullesbischen Stadtfests und des CSDs.
Mittlerweile ist GleichTanz.de weiter fertig gestellt worden, aber es wird wohl noch länger dauern, bis alle Rubriken gefüllt sind …. (Die Rubrik „Andere Orte“ ist erst einmal nur der „Vollständigkeit“ halber aufgeführt; ´mal schauen, ob wir da noch ´was draus machen werden.) Da ich selbst nicht Tango tanzen kann, habe ich keinen konkreteren Einblick in die Tango-Szene, und auch bei der Frauen-Tanzszene bin ich auf Eure Rückmeldungen und Kommentare angewiesen.
Und wenn diese „Angebote“ eines Tages halbwegs präsentiert und die Termineinträge alle vorhanden sind, dann freue ich mich auf einige interessante Artikel zum Tanzen und einige schöne Tanzvideos … Und ich hoffe, dass das Forum sich stetig weiter entwickelt und die NutzerInnen sich mit ihren Tanzerfahrungen, Bewertungen, Ideen usw. aktiv einbringen werden.
Günther Schon
P.S.: Wenn Du den InfoBrief bestellst, wirst Du über größere Veränderungen auf dieser Seite und über besondere Tanzangebote und neue Artikel/Videos informiert (ca. 14-tägig).