Ein wenig kitschig war es schon, als die Frühlingssonne am Samstag in Dublin einen Regenbogen an den Himmel zauberte.
Die Fahne mit den bunten Farben, weltweit zum Symbal der Homosexuellen-Bewegung geworden, war in Irland ohnehin allgegenwärtig: Das erzkatholische Irland hat mit einem Referendum zur Zulassung der Ehe homosexueller Paare Geschichte geschrieben. Als erstes Land führte die kleine Republik im Nordwesten Europas die Neuerung per Volksentscheid ein. «Eine kleine Revolution», nannte der schwule Gesundheitsminister Leo Varadkar den Ausgang des Referendums.
Verlierer ist die katholische Kirche. Die Bischöfe haben noch bis zuletzt von den Kanzeln herab traditionelle Familienwerte gepredigt. «Werden wir wirklich die erste Generation in der Menschheitsgeschichte sein, die sagt, dass Mütter und Väter bei der Erziehung von Kindern keine Rolle spielen», fragte Erzbischof Michael Neary, einer der einflussreichsten Geistlichen in Irland. Diarmuid Martin, Erzbischof von Dublin, war nach dem Referendum kleinlauter: «Wir müssen aufhören und brauchen einen Realitäts-Check und dürfen nicht weiter die Realität verleugnen.»
Die katholische Kirche hat seit Jahren in Irland einen Rechtfertigungskampf zu führen. Spätestens als bekannt wurde, dass Kardinal Erzbischof Sean Brady systematisch Sexualdelikte von Priestern in Kinderheimen verschleiert hat, verlor die Kirche an Glaubwürdigkeit. Als Brady 2010 in einer Predigt – statt um Vergebung zu bitten – die mangelnde Toleranz des Volkes gegenüber sündigen Kirchenvertretern anprangerte – schien der Graben zwischen Kirche und Volk endgültig aufgerissen.
Dass die Regierung des konservativen Premierministers Enda Kenny und des damaligen Außenministers Eamon Gilmore 2011 ihren Botschafter vom Vatikan zurückzog, war ein erster gewichtiger Schritt. Gilmore war es auch, der in den Folgejahren die Verfassungsänderung zur Homo-Ehe massiv vorantrieb.
Nur 19 Länder weltweit ermöglichen bisher das volle Eherecht für homosexuelle Paare – Deutschland ist noch nicht soweit. Justizminister Heiko Maas (SPD) beklagte jüngst, dies sei in einer Koalition mit der Union «schwer realisierbar». Die Diskussion bekam aber nach dem Votum in Irland auch in Deutschland neuen Schwung. Das Volk sei manchmal weiter als Politiker, deutete CDU-Mann Jens Spahn vielsagend an.
In Irland herrscht in allen Bevölkerungsschichten große Zufriedenheit mit dem Ausgang des Referendums. Schon Ende des Jahres sollen die Gesetze so geändert sein, dass Homo-Ehen tatsächlich stattfinden können. Irlands Premier Kenny twitterte ein Bild von seiner Ehefrau und sich selbst und schrieb: «Ich habe mit Ja gestimmt» – vor Jahren noch undenkbar für einen irischen Premierminister. Vor Wochen bereits hatte er demonstrativ ein Schwulen-Lokal besucht.
Die Republik im Süden der Grünen Insel ist in den vergangenen Jahren einen strikten Weg in die Moderne gegangen. Vor 22 Jahren hob Irland ein Gesetz auf, das Homosexualität unter Strafe stellte. Ebenfalls seit 1993 müssen Paare, die ein Kondom benutzen wollen, kein Rezept des Arztes mehr beim Kauf vorlegen. Das totale Abtreibungsverbot ist zumindest ein wenig aufgeweicht.
Die Regierung, die sich vehement hinter die Verfassungsänderung gestellt hatte, traf den Nerv des Volkes auf den Punkt. Das Referendum zur Homo-Ehe war auch ein Sieg für die direkte Demokratie in Irland. 60 000 Menschen hatten sich eigens für die Abstimmung ins Wählerregister eintragen lassen. Hunderte vor allem junge Leute kamen aus London und sogar aus den USA eingeflogen, um ihre Stimme abzugeben. «Eine ganze Generation ist politisiert worden», sagte Kommunikationsminister Alex White.
(Quelle: berliner-zeitung.de, 26.05.2015)