Schuhplatteln, das ist der „bajuwarische Ausdruckstanz für gestandene Mannsbilder“, kernig und zünftig, und dann auch noch angereichert mit einem Hauch von Leder … also genau das richtige für uns schwule Mannsbilder!
1997 entstand die (weltweit?) erste schwule Schuhplattlergruppe (und zwar in München), die Schwuhplattler, und seit einem Jahr gibt es mit den Querplattern endlich auch eine Gruppe in Berlin:
„Am 6. Dezember 2015 haben wir uns in Mariannes „Friseursaloon“ in Berlin-Moabit zum ersten Mal zusammengefunden. Quasi aus dem Nichts heraus haben wir in der preußischen Diaspora die erste schwule Schuhplattlergruppe in der Hauptstadt aufgebaut. Nicht nur, dass wir, die mittlerweile gut 15 Plattlern aus aller Herren Länder, selber einen Riesenspaß haben; auch unser bisheriges Publikum scheint eine rechte Freud´an unseren Auftritten zu haben. …“
Am Samstag, den 10. Dezember feiern sie ihr einjähriges Jubiläum mit einer öffentlichen Veranstaltung (aber, zur besseren Planung, nur nach vorheriger Anmeldung), die aufgrund der großen Nachfrage nicht, wie ursprünglich angekündigt, im Wirtshaus Enzian in Berlin-Mitte stattfinden wird, sondern in der
Zunftwirtschaft Moabit, Arminiusstr. 2, 10551 Berlin
Beginn: 19.00 Uhr; Programm: Musik, Tanz, Schuhplatteln; Eintritt: frei
„Erscheinen in Bayerischer Tracht ist höchst erwünscht!“
Einlass nur nach vorheriger Anmeldung unter info@querplattler.de.
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Wann immer die Berliner Querplattler einen Auftritt haben, etwa auf dem lesbisch-schwulen Stadtfest oder bei den „Gaywiesn“, begeistern sie die Zuschauer*innen mit ihren sicher nicht perfekten, aber sympathisch, mitreissend und mit viel Spass präsentierten Tänzen (die ja für unsere Breiten doch eher ungewöhnlich sind).
In der Gruppe sind nur wenige Bajuwaren, die Mehrheit kommt aus anderen Landesteilen oder gar aus anderen Ländern.
Weiter unten findest Du weitere Infos von ihrer Webseite, falls Du selbst das Platteln dort lernen und mittanzen möchtest. Hier haben wir uns vor allem auf die komplexe Kleiderordnung (Tracht) konzentriert, die spätestens dann angeschafft werden muss, wenn Du dann irgendwann bei einem Auftritt mittanzen möchtest …
Aber vorher wollen wir doch erst einmal ein bisschen in die Tanztheorie einsteigen (GleichTanz.de hat ja schliesslich auch einen Volksbildungsauftrag!) und definieren, um was für eine tänzerische Ausdrucksform es sich bei Schuh- und Lederhosenklatschen eigentlich handelt ...
Was ist Schuhplatteln?
„Der Name „Schuhplattler“ stammt etwa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Idee von regional differenzierten Volkssitten entstand während der Romantik und war mit der Vorstellung des Gewachsenen und Autochthonen als Antithese zur Industrialisierung verbunden. In der Gründerzeit wurde dieses angeblich bäuerliche Brauchtum in Städten wie Wien, München, Salzburg und Innsbruck zum festen Bestandteil der bürgerlichen Selbstdarstellung.
Der Schuhplattler war ursprünglich ein Paartanz. Die Form war zunächst noch frei und ohne Regeln. Im Drei-Viertel-Takt eines Ländlers absolvierte der Bursch eine Folge von Sprüngen und Hüpfbewegungen nach dem Rhythmus der Musik. Dabei „plattelte“ (schlug) er sich selbst auf Schenkel, Knie und Fußsohlen, „paschte“ (klatschte) in die Hände und stampfte mit den Füßen auf. Den Abschluss bildete ein kurzer walzerischer Rundtanz mit dem Dirndl.
Wie diese Tänze ursprünglich ausgesehen haben, ist aus Aufzeichnungen in Südtirol überliefert. Beim „Lüsener Deutschen“ etwa folgt auf vier achttaktige Ländlerfiguren die ebenfalls achttaktige Figur „Deutsch tanzen“: „Die Tänzerin dreht sich rechts allein vor dem Tänzer in Tanzrichtung weiter; der Tänzer folgt ihr plattelnd … Ältere Tänzer, welchen das Platteln schon schwerfällt, tanzen dafür schon in der 5. Figur Walzer.“ Es folgt als 6. Figur ein Walzerrundtanz.
Zumindest seit der ersten Ausfahrt der Zillertaler Sängerfamilie Rainer ins Ausland und den dort veranstalteten „Tirolerabenden“ (1824) wurde dieser ursprüngliche Paartanz zum Schautanz umgeformt; diese Entwicklung wurde durch die nach 1880 gegründeten bayrischen Gebirgstrachten-Erhaltungsvereine fortgesetzt. Diese Vereine formten einen genau festgelegten Tanz, den Schuhplattler. Er wurde damit vom Werbetanz zum Schautanz.
Auch akrobatische Figuren wurden getanzt, etwa das „Trestern“ auf der Zimmerdecke: Der Bursch stützt sich auf die Schultern seiner Partnerin auf und stampft mit den Beinen taktmäßig auf die Zimmerdecke bzw. schlägt die Beine zusammen (1824).“
(Diese Infos stammen mal wieder aus wikipedia. GleichTanz.de spendet für die Arbeit von wikipedia!)
Mitmachen bei den Querplattlern
„Wir sind eine Gruppe von schwulen Kerlen aller Altersgruppen, die Spaß am Chiemgauer Schuhplatteln und bayerischer Tracht haben!
Kenntnisse des Schuhplattelns oder Erfahrung sind nicht Voraussetzung, werden aber natürlich gern gesehen.
Regelmäßige Plattler-Probe voraussichtlich alle 2 Wochen. Genaue Termine und Ort werden hier und per Rundmail bekannt gegeben.
Wir freuen uns über aktive Mitmacher, aber auch über Unterstützer und Freunde!“
Proben
Zum Mitproben ist keine Tracht erforderlich!
Es empfiehlt sich aber, sobald man Schuhe und Lederhose besitzt, diese auch zum Proben anzuziehen, um sie einzureiten, und um sich Hände und Oberschenkel nicht wundzuplatteln.
Da die meisten Schuhplattlerstücke Stampfer enthalten, die gehört und synchronisiert werden müssen, und viele Plattel-Schläge auch direkt auf die Schuhsohlen gehen, sind Tanzschuhe besser geeignet als Turnschuhe mit elastischer Sohle. Schuhe mit Ledersohle sind daher generell besser geeignet als Schuhe mit Gummisohle. Das erwünschte Klatschgeräusch wird man nur mit Ledersohle erreichen können.
Es macht auch Sinn, sich ans Tragen eines Hutes zu gewöhnen – dies fördert eine gute Körperhaltung.
Bei Auftritten ist die einheitliche Tracht wichtig.
Bei Bedarf können Einzelstücke ausgeliehen werden.
Schuhe
Zum Platteln trägt man besondere Trachtenschuhe mit recht dünner Ledersohle, deren Absatzkanten innen abgerundet sind, um Verletzungen an den Händen zu vermeiden. Andere Trachtenschuhe sind erlaubt, aber auf eigenes Risiko!
Strümpfe / Loiferl
Strickstrümpfe oder Loiferl gehören zur Tracht. Farbe und Form sind frei, allerdings sind bei Auftritten zwecks Einheitlichkeit des Aussehens auffällig unpassende Extravaganzen nicht erwünscht. Idealerweise sind die Strümpfe hellgrau mit jagdgrüner Bordüre oben und grün gesticktem Zopf auf der Wade.
Hose
Offizielle Plattlerhosen zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:
- Sie reichen bis knapp übers Knie (keine Kniebundhosen), jedoch auch nicht zu kurz, wie beispielsweise die Allgäuer Krachledernen.
- Die Beine sind nicht gerade abgeschnitten, sondern abgerundet: vorne etwas länger, um genug Schlagfläche zu bieten, hinten etwas kürzer zwecks Bewegungsfreiheit.
- Plattlerhosen sind aus schwarzem Laponialeder zwecks Optik, Komfort und Klang. Hirschleder eignet sich da weniger.
- Stickereien sind nur am Latz und an den Seiten vorhanden, nicht oder nur spärlich auf den Oberschenkelflächen.
- Die Farbe der Stickereien ist nicht vorgeschrieben, diverse Farbtöne zwischen Gelb und Moosgrün werden angeboten.
Zahlreiche Abweichungen und Anpassungen werden toleriert. Komm zur Probe mit der Hose, die du hast.
Hemd
Zur Tracht gehört ein Trachtenhemd. Zwecks Einheitlichkeit des Aussehens empfiehlt sich weiß, aber die dezenten Linien anderer Trachtenhemden passen auch.
Karierte Hemden sind in der Regel nicht zulässig, auch oder gerade weil diese für viele Laien mit „Tracht“ oder eher „Landhausmode“ assoziiert werden.
Hemden mit Stehkragen sind Arbeitstagshemden, und somit nicht für festliche Anlässe geeignet. Für einen Schuplattlerauftritt ist ein normaler Kragen erforderlich.
Hosenträger
Unser Wappen ist beim Lederschneider registriert, bestickte Brustteile mit Initialen können jeder Zeit bestellt werden. Die Hosenträger selbst sind frei, allerdings sind bei Auftritten zwecks Einheitlichkeit des Aussehens auffällig unpassende Extravaganzen nicht erwünscht.
Hut
Für Auftritte ist ein Hut essentiell. Eine Tracht ist ohne Hut nicht komplett! Zum Schuhplatteln wird bei uns ein moosgrüner Hut aus Hasenhaar-Filz getragen. Die genaue Form ist frei – jeder soll die Trachtenhutform wählen, unter der er sich selbst am wohlsten fühlt.
Hutschmuck
Traditionell stellt der Hutschmuck eine Jagdtrophäe dar: Adlerflaum, Spielhahnfeder oder -stoß, Gamsbart, “Roagaspitz“…
„Hühnerhofsvieh“ (Enten- oder Hahnenfeder) ist eher für Damen reserviert!
Weitere Infos unter http://querplattler.de
und weitere Videos auf ihrer Facebook-Seite.
Günther
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