Es wäre ein historischer Schritt: Nächste Woche will das Bundeskabinett ein Gesetz ins Parlament einbringen, das all jene Männer rehabilitieren und entschädigen soll, die von bundesdeutschen Gerichten verurteilt wurden, weil sie homosexuell waren. 122 Jahre lang war der Paragraf 175 Teil des deutschen Strafrechts.
„Ich weiß nur, dass eines Tages Polizei vor der Tür stand, die so genannte Sittenpolizei hieß das. Kriminalpolizei, Abteilung Sitte. Und mich direkt mitgenommen hat auf das Präsidium zum Verhör. Gleich zum Verhör.“
Lichtbilder wurden gemacht, Fingerabdrücke abgenommen, erzählt Heinz Schmitz in seinem Wohnzimmer, im achten Stock, in einem Hochhaus am Freiburger Stadtrand. An der Wand hängen gerahmte Bilder, vergilbte Fotos, Aquarellblumen. Auf dem Tisch liegen die alten Akten, die seine Vergehen nach Paragraf 175 Strafgesetzbuch, dem so genannten „Schwulenparagrafen“ dokumentieren. Wen hat er wo und wann getroffen, wollten die Ermittler damals wissen? Wurde geküsst? Und welche Praktiken waren im Spiel?
„So waren die Fragen. Und die waren so presserisch und so intensiv. Vor allem immer mit dem Hintergrund: ‚Wenn du uns nicht so sagst, gibt es immer noch die Möglichkeit, dass wir deine Firma, deine neue Lehrstelle informieren und dass du doch deine Lehrstelle verlierst. Sag uns lieber, so und was da passiert ist!‘“
Verfahren wegen Unzucht mit Männern eingeleitet
Heinz Schmitz setzt die Lesebrille auf, sucht in den Akten den Ermittlungsbericht der Freiburger Polizei:
„Hier ist es sehr schön geschrieben: ‚Es wurde gegen den Heinz Schmitz ein Verfahren wegen Unzucht mit Männern eingeleitet. Der kaufmännische Lehrling wird beschuldigt, erstens: er sei an einem nicht mehr näher feststellbaren Tag in Freiburg im Kino gewesen. Ein neben ihm sitzender Mann habe ihm in wollüstiger Absicht über den Oberschenkel gestrichen, worauf er dies erwidert habe‘. Der zweite Punkt: ‚Er hatte 1959, 1960 und 1961 mit verschiedenen Männern in Freiburg gegenseitig onaniert.‘ Und dann kam die Vorladung zur Verhandlung. Genau!“
Heinz Schmitz nimmt die Lesebrille ab. Lehnt sich im Sessel zurück. Im Februar 1962 begann der Prozess gegen ihn. Er wurde verurteilt zu sechs Monaten Jugendarrest. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, damit er seine Lehre weitermachen kann. Absitzen musste er aber drei Wochenenden im Jugendarrest in Mülheim an der Mosel, die Heinz Schmitz kurz nach dem Urteil antritt.
„Da war so quasi die Begrüßung, als ich ankam – die wussten das ja, ich war ja wohl angemeldet -: ‚Ach, da kommt das Schwein aus Freiburg! Der Sittenstrolch! Den müssen wir gesondert einsperren, damit er unsere anderen Jungens nicht verführt oder sonst irgendwie belästigt!‘ Somit wurde ich sofort in eine Einzelzelle eingesperrt. Türe zu. Fertig!“
„Er hat sich irgendwo geschämt“
Die gleichen Erfahrungen machte Helmut Kress. Er sitzt in seiner Weinstube mitten in Tübingen, streichelt den kleinen Hund auf seinem Arm und erzählt von seiner zweiwöchigen Haft in Oberndorf am Neckar. Davon, wie er seine Lehrstelle verlor, als herauskam, dass er wegen sexueller Handlungen mit einem Mann verurteilt worden war.
„Ich habe mir dann eine neue Lehrstelle gesucht und habe auch eine gefunden. Bei einem Damen- und Herrenschneider und habe da Damenschneider gelernt.“
Eine Statue in Frankfurt am Main zum Gedenken an die jahrzehntelange Verfolgung Homosexueller in Deutschland. (dpa / Arne Dedert)
Seine Mutter, damals schon schwerkrank, durfte nichts erfahren von seiner Homosexualität und der Verurteilung. Und auch sein Vater distanzierte sich:
„Es war so, dass er, nachdem ich aus dem Gefängnis wieder zurück war, nicht mehr neben mir in die Stadt laufen wollte. Ich musste vorneweg laufen. Er wollte nicht auf einer Ebene mit mir laufen. Er hat sich irgendwo – es war in der Stadt bekannt – er hat sich irgendwo geschämt.“
Auch wenn die Erniedrigungen und die gesellschaftliche Ächtung schon Jahrzehnte zurückliegen, auch wenn der Paragraf 175 1994 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde, wollen sich Helmut Kress und Heinz Schmitz nicht daran gewöhnen, vorbestraft zu sein, wegen ihrer sexuellen Orientierung. Ändern soll diesen Zustand das „Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung, der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen“. Über die Notwendigkeit dieses Gesetz besteht in der Großen Koalition, in allen Bundestagsparteien Einigkeit, so Bundesjustizminister Heiko Maas. Er hatte sich schon vor Jahren mit Betroffenen getroffen und über das Thema gesprochen:
„Das ist juristisch und verfassungsrechtlich nicht so einfach, Urteile, die die Judikative spricht, von der Legislative aufheben zu lassen. Aber ich finde, wenn es um Artikel 1, die Menschenwürde geht, da muss auch der Rechtsstaat in der Lage sein, Fehler einzugestehen. Und das war ein Fehler und den wollen wir heute – spät, leider für viele zu spät, aber nicht für alle zu spät – aber das wollen wir jetzt korrigieren.“
Urteile aufheben und Entschädigungszahlungen leisten
Wann genau das Kabinett das Gesetz auf den Weg bringen wird, ist nicht klar. Vielleicht schon in der nächsten Sitzung, vielleicht erst in einigen Wochen. Geplant ist, nicht nur die Urteile aufzuheben, sondern auch eine Entschädigungszahlung von 3.000 Euro an die rund 5.000 Betroffenen. Zusätzlich sollen sie pro angefangenem Jahr in Haft 1.500 Euro bekommen. Maßgeblich beteiligt an der Initiative war auch die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.
1918 hatte der Arzt und Sexualforscher die Stiftung eingerichtet. Er gilt als Mitbegründer der frühen Homosexuellen-Bewegung. Im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat Michael Schwartz, Professor am Münchener Institut für Zeitgeschichte die lange Geschichte des Paragrafen 175 erforscht. Ihn erstaunt vor allem, wie problemlos die vom NS-Regime verschärfte Strafrechtsnorm auch in die Rechtsprechung der jungen Bundesrepublik einfloss:
„Die Bundesrepublik ist hier in ihrer Frühphase deutlich illiberaler, was die Rechtswirklichkeit angeht als die Weimarer Republik, aber auch als das wilhelminische Kaiserreich. Das muss man sich auch mal klarmachen!“
Die Bundesregierung unter Konrad Adenauer stellte noch 1960 klar, warum der Paragraf 175 erhalten werden müsse:
„Ausgeprägter als in anderen Bereichen hat die Rechtsordnung gegenüber der männlichen Homosexualität die Aufgabe, durch die sittenbildende Kraft des Strafgesetzes einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde.“
Verlogene und verstaubte Atmosphäre
Heinz Schmitz aus Freiburg erinnert sich mit Grausen an diese Zeit. An die stickige, verlogene und verstaubte Atmosphäre im schönen Städtchen am Fuße des Schwarzwalds.
„Das Problem ist: in dieser Zeit – Sechzigerjahre – hat man nicht darüber gesprochen. Das war ein Tabuthema. Ich selbst kann mich nicht erinnern, dass man je darüber gesprochen hat. Weil wir nur Angst hatten, Furcht vor Entdeckung, dass es jemand mitbekommt. Wir wussten, dass es da dieses Gesetz gibt – Paragraf 175. So wurden wir ja auch genannt: ‚Du 175er!'“
In Tübingen, erzählt Helmut Kress in seiner Weinstube, war das Klima dagegen viel toleranter. In der Studentenstadt gab es Cafés, in denen sich vor allem Homosexuelle trafen und einen Schwulenclub, der über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war.
„Wir sind immer an der Hauswand entlang geschlichen und schnell rein. Man musste damals noch klopfen und dann wurde halt die Tür aufgemacht. Also, ich habe geschaut, auch an den Klappen, an den Wegen oder wo man sich getroffen hat, ich habe immer geschaut, dass mich niemand sieht, der mich kennt. Ich wollte also niemandem vor den Kopf stoßen.“
BVerfG urteilt 1957: Paragraf 175 verstößt nicht gegen Grundgesetz
Auch unter den bundesrepublikanischen Juristen war Konsens: Es muss auch weiterhin ein besonders scharf strafendes Recht für Homosexuelle geben. Nach einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht urteilen die Richter im Mai 1957: der Paragraf 175 verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Ende der Sechzigerjahre erreichte das Umdenken den Deutschen Juristentag. In der Tagesschau vom 20. September 1968 erklärte der Präsident des Juristentages Konrad Redecker:
„Mit ganz großer Mehrheit ist beschlossen worden, den Gesetzgeber aufzufordern, die Strafbarkeit der Homosexualität sofort abzuschaffen. Diese Beschlüsse mögen revolutionierend wirken. Aber sie sind im Grunde genommen eine logische Entwicklung. Sie setzen voraus, dass die Bevölkerung über den ganzen Bereich des Sexualstrafrechts aufgeklärt wird, damit die Emotionen abgebaut werden, mit denen dieser Bereich in der allgemeinen Meinung belastet ist!“
Eine Regenbogenfahne in der Innenstadt von Frankfurt am Main: Der hessische Landtag gehört zu den Parlamenten in Deutschland, das sich für die jahrzehntelange Verfolgung Homosexueller in Deutschland entschuldigt hat. (picture alliance / dpa)
1969 und 1973 wurde der Paragraf 175 vom Deutschen Bundestag reformiert. Erwachsenen Homosexuellen drohte seitdem keine Verfolgung mehr. Seitdem wurden nur noch homosexuelle Missbrauchshandlungen, vor allem an Minderjährigen geahndet. Der grundlegend diskriminierende Charakter des deutschen Strafrechts gegenüber Homosexuellen blieb aber bestehen, so der Historiker Michael Schwartz:
„Das ist sicherlich ein dunkler Schatten über dieser Strafrechtsreform der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre, dass man immer noch diesen Grundgedanken von Homosexuellen-Verfolgung weitergetragen hat: homosexuelle Kontakte seien doch strafwürdiger, weil irgendwie gefährlicher, verführender oder was auch immer.“
1994 wird Paragraf aus Strafgesetzbuch gestrichen
Erstritten wurde die Reformen nicht allein von den Parlamentariern, sondern von vielen kleinen Initiativen, die sich – trotz der Reform – mit der fortdauernden öffentlichen Diskriminierung nicht abfinden wollten, erklärt Jörg Litwinschuh, Vorstand der Magnus-Hirschfeld-Stiftung:
„Wir haben Menschen aus der Kultur gebraucht, wir haben Beamte gebraucht und andere Menschen, die mutig auf die Straße gegangen sind. Das ging damit los, dass in den Sechziger-, Siebzigerjahren die ersten schwulen Lehrer auf die Straße gegangen sind. Dass sich zum Beispiel Beamte, homosexuelle Beamte getraut haben, zum Teil vermummt, auf die Straße zu gehen. Und einfach erstmal gezeigt haben: ‚Es gibt homosexuelle Menschen in allen Teilen der Gesellschaft! Auch unter Lehrern, auch unter Polizisten!‘“
Erst 1994 wurde der Paragraf aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, acht Jahre, nachdem die Rechtsnorm in der DDR aufgehoben worden war. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist weiterhin im Paragrafen 176 StGB unter Strafe gestellt.
Die Grundlage für das nun geplante Entschädigungs- und Rehabilitierungsgesetz lieferte ein Gutachten von Professor Martin Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München. In Auftrag gegeben hatte es die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Christine Lüders:
„Professor Burgi hat eben ein Gutachten geschrieben, das eindeutig zu der Erkenntnis kam, dass diese Urteile schon in den 1950er- und 1960er-Jahren verfassungswidrig waren, weil sie gegen die Menschenwürde verstoßen und weil es bisher eben überhaupt keine Strafrechtsgesetzgebung gab, die einzelne Bevölkerungsgruppen für das bestraft haben, für das man nichts kann wie nämlich die sexuelle Orientierung! Und dieses Gutachten hat dazu geführt, dass sich auch konservative Rechtspolitiker in der Union, in der SPD und auch außerhalb der Parteien erstmals wirklich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt haben.“
Keine pauschale Aufhebung von Urteilen
Am nun geplanten Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung von rund 5.000 Männern, die nach dem alten Paragraf 175 verurteilt wurden, haben die Juristen aus den Bundesministerien lange gefeilt. Denn natürlich sei die pauschale Aufhebung aller Urteile nach diesem Paragraf der falsche Weg, erklärt Michael Frieser von der CSU:
„Man muss zumindest wissen können: gab es in diesem Zusammenhang tatsächlich Opfer? Dann tut man sich mit einer Aufhebung eines solchen Urteils natürlich sehr viel schwerer. Wir wollen, das klar ist: das Gebot der Stunde heißt: 175-Verurteilungen, die müssen tatsächlich aufgehoben werden und den Opfern muss Gerechtigkeit widerfahren. Das bedeutet natürlich, dass sie nicht wegen anderer Delikte verurteilt werden durften.“
Wenn die Betroffenen also nicht nur wegen homosexueller Handlungen, sondern in Tateinheit mit Missbrauch oder Körperverletzung verurteilt wurden, könne keine Rehabilitierung stattfinden, betont auch Bundesjustizminister Heiko Maas:
„Wir achten darauf, dass wir nicht alles Mögliche an Urteilen aufheben, die wir gar nicht aufheben wollen, sondern sehr gezielt die Verurteilungen nach 175 StGB.“
Allerdings sind in vielen Fällen die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen längst abgelaufen, etliche Akten wurden schon vernichtet.
„Dort schlagen wir ein relativ einfaches Verfahren vor, dass die Menschen das geltend machen können. Dass das bei den Staatsanwaltschaften geprüft werden kann. Aber dass es nicht unbedingt notwendig sein wird, tausend Formulare beizubringen. Wir wissen, dass es diese Verurteilungen gibt, wir wissen auch, dass es Nachweisschwierigkeiten gibt und wollen das für die Betroffenen so einfach wie möglich handhaben.“
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD): Nur gezielt die Verurteilungen nach Paragraf 175 aufheben. (picture alliance / dpa / Marcel Kusch)
Auch Michael Frieser von der CSU hält nichts davon, ein Entschädigungsverfahren einzuführen, bei dem die Beweislast bei den einst Verurteilten liegt:
„Ich kenne keinen, der das alles nochmal aufgedrechselt sehen möchte, der sich quasi noch einmal einer Verhandlung unterziehen will. Es werden die wenigeren Fälle sein, die diesbezüglich etwas komplizierter sind, wo nicht eindeutig sofort ersichtlich ist, welche Art von Tatbeteiligung oder Tatmehrheit tatsächlich das Urteil dann überwiegt. Das klingt jetzt vielleicht komplizierter als es ist. Ich meine, im Vollzug wird es sehr viel einfacher sein.“
Eidesstattliche Versicherung der Betroffenen
Die Abstimmung zwischen Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium ist aber keineswegs einfach. Noch werden die Feinheiten des Gesetzentwurfs zur Rehabilitierung und Entschädigung der nach Paragraf 175 Verurteilten diskutiert. Im Justizministerium wird ein Antrags- und Prüfverfahren favorisiert, dass es den Betroffenen möglichst leicht machen soll, ihr Urteil aufheben zu lassen. Das Innenministerium möchte hingegen das heutige Rechtsverständnis bei Sexualdelikten im besten Fall eins zu eins auch auf die Urteile der jungen Bundesrepublik übertragen. Dann müsste auch der erst im letzten Jahr im Strafgesetzbuch verankerte Grundsatz „Nein heißt Nein“ berücksichtigt werden. Danach ist es schon strafbar, wenn sich ein Täter über den so genannten „erkennbaren Willen“ seines Opfers hinwegsetzt.
Würde sich das Bundesinnenministerium mit seiner Linie durchsetzen, könnte auf die nach Paragraf 175 verurteilten Menschen eine allzu genaue Prüfung ihres Falles zukommen, die – vor allem, wenn die Gerichtsakten schon vernichtet sind – nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen führen würde. Einigt sich das Kabinett auf die Linie des Bundesjustizministeriums, bliebe das Risiko, Menschen zu rehabilitieren, deren Opfer nicht einverstanden waren mit dem sexuellen Kontakt.
Als Ausweg aus diesem Dilemma diskutieren die Ministerien nun eine eidesstattliche Versicherung, die die Betroffenen abgeben müssten. Darin würden sie versichern, dass die homosexuellen Kontakte, für die sie verurteilt wurden, einvernehmlich stattgefunden haben und damit auch heute nicht strafbar wären.
Nach den bisherigen Plänen soll der Gesetzentwurf am 8. März vom Bundeskabinett beschlossen werden. Auch Heinz Schmitz aus Freiburg, einer der Verurteilten, die im Laufe der letzten Jahre mit für das Gesetz gekämpft haben, wünscht sich eine möglichst schnelle Einigung:
„Es würde mir wahnsinnig viel bedeuten. Eine Erleichterung, Erlösung, Genugtuung, wenn das abgewaschen würde, wie abgewaschen wäre! Obwohl ich heute nicht mehr drunter leide. Trotzdem spürt man das doch irgendwie innerlich: ‚Mensch, Du bist Straftäter!‘ Und dann wäre ich ganz sauber wieder! Es würde mir wahnsinnig gut tun. Und nicht nur für mich, sondern für alle, die noch leben und betroffen waren. Denn es gibt ja viele, die ja wesentlich schlimmer gelitten haben als ich!“
Auch wenn das Gesetz schnell verabschiedet wird und in Kraft tritt, macht sich Heinz Schmitz keine Illusionen: Die Diskriminierung von Homosexuellen wird dadurch nicht beendet, die Scheu vor einem offenen Umgang damit nicht verschwinden.
„Ich selbst treffe noch alte Bekannte aus früheren Jahren, die heute noch, wenn man sie fragen würde: ‚Bist Du schwul?‘, ‚Nein!‘ sagen würden. ‚Ich doch nicht!‘ Sie sagen dir ins Gesicht teilweise, die Leute: ‚Wir haben damit kein Problem mehr!‘ Und wenn du dich umdrehst und weggehst, kann es dir passieren, dass die hinter deinem Rücken – heute noch! – zu dem nächsten Bekannten sagen: ‚Die schwule Sau hat mir gerade das und das erzählt!‘
Er selbst, erzählt Heinz Schmitz, hat selbst erfahren müssen, wie schwer sich viele Menschen immer noch mit dem Thema „Homosexualität“ tun. Kurz nachdem er sich in der Freiburger Lokalzeitung unter seinem echten Namen für das Rehabilitierungsgesetz eingesetzt hatte, kamen die ersten empörten Anrufe. Aus dem engsten Familienkreis.
- Quelle: deutschlandfunk.de (vom 28.02.2017)