Liebe Freund*innen, liebe Interessierte,hier die Forderungen für den Berliner CSD 2015. Wir danken allen Community-Einrichtungen und Einzelpersonen, die gemeinsam mit uns ihre Zeit und Ideen in die Sammlung und Ausformulierung dieses Forderungskatalogs investiert haben!Dies sind die Forderungen für den Berliner Christopher Street Day 2015, die große Demonstration für LSBTI*-Menschenrechte. LSBTI* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle/Transgender/Transidente, Intersexuelle; das Sternchen [*] steht für Menschen, die sich durch ähnliche Aspekte von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden, die vorgenannten Kategorien jedoch ablehnen.1. Ehe und Familie: Wir wollen keine Sonderrechte, sondern gleiche Rechte!
Vor 14 Jahren wurde die Eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutschland eingeführt. Viele Rechte wurden lesbischen und schwulen Paaren dabei vorenthalten und müssen zum Teil noch immer gerichtlich erstritten werden. Lesben und Schwule stehen jedoch genau wie Heterosexuelle in ihren Beziehungen füreinander ein; homosexuelle und transidente Eltern sorgen sehr gut für ihre Kinder. Die Politik der kleinen Schritte ist vorbei – alles andere als Gleichstellung ist und bleibt Diskriminierung!
- Für homosexuelle Bürgerinnen und Bürger darf real wie symbolisch kein minderes Recht gelten: Wir fordern die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule!
- In Berlin und überall in Deutschland wachsen immer mehr Kinder in Regenbogenfamilien auf: Wir fordern die gleichberechtigte Teilhabe dieser Familien in allen Lebensbereichen!
- Gleiche Rechte bei der Familienplanung: Schluss mit der Diskriminierung beim Zugang zur Reproduktionsmedizin!
- Gleiche Rechte bei der Elternschaft: Schluss mit der Diskriminierung bei der gemeinschaftlichen Adoption.
- Automatische Anerkennung der Elternschaft des nicht gebärenden Elternteils in eingetragenen Lebenspartnerschaften.
- Rechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien mit mehr als zwei Elternteilen.
2. Für eine Positive Welt ohne Diskriminierung und Ausgrenzung!
Krankheiten dürfen weder in der Allgemeinbevölkerung noch innerhalb der Community zu Ausgrenzung und Diskriminierung führen. Das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe im kulturellen und sozialen Leben muss individuell leistbar sein können und ist nicht verhandelbar. Chronische Erkrankungen dürfen nicht zu Armut führen.
- Wir fordern die sofortige Löschung des stigmatisierenden “ANST”-Kennzeichens für “ansteckend” von HIV-Positiven sowie des “GKR”-Kennzeichens für “geisteskrank” aus polizeilichen Datenbanken.
- Wir fordern Gleichberechtigung und Akzeptanz von HIV-Positiven, Hepatitiden-Positiven sowie weiterer chronisch erkrankter Menschen in der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsplatz und im Gesundheitswesen; dazu fordern wir eine verstärkte Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit gegen Stigmatisierungen.
- Wir fordern die anonyme Chipkarte und Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle!
- Wir fordern eine menschenwürdige Grundabsicherung jenseits der Armutsgrenze und einen an die individuelle Leistungsfähigkeit angepassten Arbeitsmarkt mit entsprechenden Hinzuverdienstmöglichkeiten.
- Angemessener Wohnraum im Herzen der Stadt für Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranke muss bezahlbar bleiben: Kein Zwangsumzug aus dem sozialen Umfeld!
- Wir fordern, dass die unangemessene Praxis, in Bewerbungsverfahren oder auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses einen HIV-Test zu verlangen oder auch nur anzubieten, rechtlich unterbunden wird.
3. Akzeptanz bilden!
Nur durch die Förderung und ausreichende Finanzierung von Bildung sowie Aufklärung kann Akzeptanz gegenüber anderen Lebensentwürfen schon ab der Schule entstehen. Die umfassende Information aller Menschen unserer Gesellschaft ist zwingend notwendig, um einen Rollback zu verhindern und den Bestrebungen fundamentalistischer Kräfte entgegenzuwirken, andere Lebensentwürfe in Frage zu stellen. Wir fordern:
- Schulen und andere Bildungseinrichtungen müssen diskriminierungs- und gewaltfreie Orte des Lernens sein!
- Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sind Querschnittsthemen und müssen verbindlich in den Rahmenlehrplänen der Schulen verankert sein!
- Die “Initiative sexuelle Vielfalt” (ISV) muss ausgebaut, fortgeführt und für die Zukunft gesichert werden.
4. Vielfalt sichtbar machen, Vielfalt wertschätzen – auch innerhalb der Community!
Sowohl in der Gesamtgesellschaft als auch in den LSBTI*-Communitys finden Diskriminierung und Ausgrenzung statt. Wir alle gehören vielen unterschiedlichen Gruppen gleichzeitig an und können gleichzeitig – auch mehrfach – in einigen Bereichen diskriminiert werden und in anderen privilegiert sein. Homophobie, Rassismus, Sexismus, Trans-, Inter-, Bi- und Lesbenfeindlichkeit, Diskriminierungen aufgrund von Alter, Sero-Status, Behinderungen, Aussehen, sozialem Status oder aus anderen Gründen müssen gesamtgesellschaftlich wie subkulturell thematisiert und überwunden werden.
- Die Vielfalt von Lebensentwürfen ist nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern auch Ausdruck der Grundwerte einer dynamischen demokratischen Gesellschaft.
- Auch innerhalb der Community ist Vielfalt ein Gewinn: Miteinander statt gegeneinander!
- Die Interessen von Identitäten jenseits des weißen, schwulen, gender-konformen Mannes müssen in der politischen Arbeit stärker berücksichtigt werden.
- In der medialen Darstellung von Homosexualität müssen lesbische und bisexuelle Frauen sowie LSBTI* of Color stärker in den Vordergrund rücken.
- Wir müssen gemeinsam aktiv gewaltfreie und diskriminierungsarme Räume schaffen.
- Trans*-Sein muss entpsychopathologisiert, das Transsexuellengesetz unter Einbeziehung von Trans*-Menschen überarbeitet werden.
- Geschlechtsnormierende Operationen an Intersexuellen vor deren Einwilligungsfähigkeit sind gesetzlich zu verbieten.
5. Keine Altersdiskriminierung!
Unterschiedliche Altersgruppen in der LSBTI*-Community sehen sich unterschiedlichen Herausforderungen ausgesetzt. Die gemeinsame Aufgabe ist, voneinander zu lernen, füreinander einzustehen und dem Vergessen der Geschichte entgegenzuwirken. Wir fordern darüber hinaus eine gesetzliche und politische Basis, auf der es sich den Anforderungen jüngerer und älterer LSBTI* entsprechend gut leben lässt.
- Begegnungen zwischen Jung und Alt schaffen: Wir müssen den Austausch zwischen älteren und jungen LSBTI* verstärken, queere Medien und Publikationen für das Thema gewinnen und über Gewerkschaften und Parteien eine breite Öffentlichkeit finden.
- Die nach § 175 des Strafgesetzbuchs Verurteilten sind zu rehabilitieren und zu entschädigen.
- Jugendarbeitslosigkeit von LSBTI* bekämpfen: Wir fordern, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) publik zu machen und verstärkt einzusetzen sowie eine diskriminierungsfreie Öffnung des Arbeitsmarktes.
- Altersarmut insbesondere von LSBTI* bekämpfen: Auskömmliche Rente für alle!
6. Refugees welcome!
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und inter* Flüchtlinge sind oft in einer besonders prekären Lage und brauchen unsere Unterstützung.
- Es muss sicherer Wohnraum für lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und inter* Flüchtlinge geschaffen werden.
- Die medizinische, psychologische und psychosoziale Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus ist dauerhaft sicherzustellen.
- Für Anhörungen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge müssen kostenfreie Sprachmittler*innen zur Verfügung stehen, die in LSBTI*-Belangen geschult und sensibel sind.
- Alle Menschen, die mit Flüchtlingen arbeiten (in Flüchtlings-Wohnheimen, Behörden usw.), müssen in LSBTI*-Belangen sensibilisiert und geschult sein.
- Die Regelungen zu sogenannten “sicheren” Herkunftsländern müssen im Hinblick auf Sicherheit für LSBTI* und Frauen im Allgemeinen sowie im Hinblick auf eine notwendige medizinische Versorgung (z.B. von HIV-Positiven) überarbeitet werden.
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