Homophobe AfD-Abgeordnete in Hirschfeld-Stiftung

Homophobe AfD-Abgeordnete in Hirschfeld-Stiftung

Die Hirschfeld-Stiftung soll die Akzeptanz von Homo- und Transsexuellen fördern. Doch die AfD schickt eine Abgeordnete ins Kuratorium, die gegen die Ehe für alle und Aufklärungspläne in der Schule kämpft – was sie auf Anfrage bekräftigt.

Dazu folgender Tagesspiegel-Artikel:

Hirschfeld-Stiftung: AfD schickt Hardlinerin in Homo-Stiftung.

Die Hirschfeld-Stiftung soll die Akzeptanz von Homo- und Transsexuellen fördern. Doch die AfD schickt eine Abgeordnete ins Kuratorium, die gegen die Ehe für alle und Aufklärungspläne in der Schule kämpft – was sie auf Anfrage bekräftigt.

Erst in der vergangenen Woche kritisierte die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst im Bundestag wieder einmal die Ehe für alle. Höchst nutzte eine Debatte zum Kindergeld, um die im Sommer erfolgte Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare als „Befriedigung von Kleinstinteressengruppen“ zu bezeichnen. Und an Bundesfamilienministerin Katarina Barley gewandt fuhr sie fort: „Wieso denken Sie, dass angesichts der fatalen Gesamtsituation eines sich nicht reproduzierenden Deutschlands eine solche Nischenpolitik Berechtigung hat?“

Mit solchen Äußerungen dürfte sich bald auch das Kuratorium der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld auseinandersetzen – also jene vom Bund geförderte Wissenschaftsstiftung, die die Akzeptanz von homo-, bi- und transsexuellen Lebensweisen fördern und entsprechende Bildungs- und Forschungsprojekte unterstützen soll. Denn die AfD-Bundestagsfraktion entschied am Mittwoch einstimmig, Höchst als ihre Vertreterin in das Kuratorium der Stiftung zu entsenden.

Eine Gegnerin von Antidiskriminierungsmaßnahmen

Ein Sitz in dem derzeit 24-köpfigen Gremium steht laut Satzung der Stiftung allen im Bundestag vertretenen Fraktionen zu, also auch der AfD. Zudem gehören ihm Vertreterinnen und Vertreter von LGBTI-Verbänden und der Zivilgesellschaft an. Das Kuratorium entscheidet als Aufsichtsgremium der Stiftung unter anderem über die Grundzüge des Bildungs- und Forschungsprogramms und die Vergabe von Stiftungsmitteln. Mit Höchst will die AfD nun eine Vertreterin in eine Stiftung für Antidiskriminierung schicken, die schon öfter dezidiert als Gegnerin von Antidiskriminierungsmaßnahmen für Homo- und Transsexuelle aufgefallen ist.

Dazu gehören nicht nur ihre Äußerungen gegen die Ehe für alle, die sich mit der AfD-Programmatik decken. Laut einem Bericht der „Rhein-Zeitung“ erklärte sie zum Beispiel im Bundestagswahlkampf vor Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, sie sei deswegen gegen die Ehe für alle und das Adoptionsrecht für Homosexuelle, weil Studien belegen würden, „dass es unter homosexuellen Männern mehr Pädophile gibt“. Eine Aussage, die wissenschaftlich nicht haltbar ist – aber als homophober Topos seit jeher von Homofeinden genutzt wird, um gegen schwule Männer zu hetzen.

Die AfD macht sich über die Stiftung lustig

Höchst ist über die Landesliste Rheinland-Pfalz in den Bundestag eingezogen. Sie ist Lehrerin, arbeitete zuvor beim Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz und will für die AfD auch im Bildungsausschuss des Bundestages sitzen. Gut dokumentiert ist – unter anderem auf dem Portal queer.de -, wie sich Höchst in Vorträgen gegen angebliche „Frühsexualisierung“ und „Gender-Experimente“ ausspricht. Das sind beides Kampfbegriffe, mit denen rechte Kreise gegen Bildungspläne Stimmung machen, die in der Schule vielfältige, also auch nicht-heterosexuelle Lebensweisen thematisieren sollen. Das sei als „Angriff auf die Kinderseelen“ zu stoppen, sagte Höchst etwa; sie sprach in dem Zusammenhang ebenfalls von einer „Verunsicherung“ von Kindern, die an „sexuelle Nötigung“ und „seelische Grausamkeit“ grenze.

Was die AfD von der Hirschfeld-Stiftung hält, konnte man am Mittwoch einem Tweet von Höchsts Fraktionskollegen Stephan Brandner entnehmen. Der macht sich über über die Einrichtung als „#LSBTTIQ-Gremium oder Hirschfeld-Stiftung oder sowas“ lustig, versehen mit einem rätselnden und einem zwinkernden Emoji.

afd-magnushirschfeld-höchst

Höchst postete am Donnerstag einen Beitrag des Magazins „queer.de“ zu ihrer Kandidatur mit der Bemerkung: „Eine Niescheninteressengruppe befürchtet Gegenwind“ – Rechtschreibfehler inklusive.

Höchst will ein „regenbogenpupsendes Einhorn“ sein

Auf Anfrage erkläre sie am Freitag per E-Mail, ihr Ziel sei es, in der Stiftung als „Kontakt mit der mehrheitsgesellschaftlichen Realität“ aufzutreten: „Nischeninteressensgruppenpolitik, mit welcher die gesamte Gesellschaft am Nasenring durch die Manege gezogen werden soll oder welche gar schädlich ist, werde ich nicht unterstützen.“ Was genau sie damit meinen könnte, ließ Höchst offen. Sie habe sich auf jeden Fall für den Posten „freiwillig gemeldet“. Höchst bekräftigte ihre Ablehnung einer „Sexualpädagogik der Vielfalt“: Es könne nicht sein, dass „eine ausgewiesene Mehrheit für sich in Anspruch nimmt, dass alle Kinder verunsichert werden müssen, ob sie Männlein oder Weiblein sind“: „Wenn es mehr als zwei Geschlechter gibt, bin ich ein regenbogenpupsendes Einhorn.“

Stefan Kaufmann, der für die CDU im Kuratorium sitzt, zeigte sich „irritiert“ über die Personalie Höchst. Ihre Rede in der vergangenen Woche habe einen „homophoben Zungenschlag“ gehabt: „Man fragt sich schon, warum ausgerechnet sie ausgewählt wurde. Es liegt der Verdacht nahe, dass das bewusst gemacht wurde.“ Die Binnenatmosphäre bei Sitzungen könne es schön ändern, wenn auf einmal jemand im Kuratorium sitze, der die Stiftungsziele gar nicht mittrage. Große Auswirkungen auf die Arbeit der Stiftung erwarte er aber dennoch nicht.

Jörg Litwinschuh, Vorstand der Hirschfeld-Stiftung, sagte auf Anfrage, zu solchen Personalien nehme man grundsätzlich keine Stellung. Er betonte aber, die Behauptung Höchsts zur Pädophilie unter homosexuellen Männern sei „schlicht und einfach falsch“. Benannt ist die Stiftung nach dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mitbegründer der homosexuellen Emanzipationsbewegung in Berlin war.

(Quelle: tagesspiegel.de, 26.01.2018)

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