Online-Bibliographie zur Homosexualität von 1418 bis heute

Online-Bibliographie zur Homosexualität von 1418 bis heute

Durch die Digitalisierung von alten und damit urheberrechtsfreien Büchern und Zeitschriften sind – von der schwulen Geschichtswissenschaft weitgehend unbeachtet – auch unzählige neue Quellen zur queeren Geschichte zugänglich geworden. In einer neuen und kostenlosen Online-Bibliographie hat der Historiker Erwin In het Panhuis rund 4.200 Buch- und Zeitschriftenbeiträge über männliche und weibliche Homosexualität zusammengeführt.Erwin In het Panhuis hat 4.200 historische Berichte über Lesben und Schwule in einem kostenlosen Web-Archiv zusammengeführt. Wir zeigen acht herausragende Beispiele.

Die Verlinkungen führen mit einem Klick zu den Scans der jeweiligen Originale. Die so verlinkten Beiträge enthalten viele bekannte und unbekannte schwul-lesbische Geschichten. So findet man hier nicht nur die schwulenpolitischen Emanzipationsschriften von Karl Heinrich Ulrichs ab 1864 im Volltext, sondern auch einen Steckbrief der Stadt Frankfurt, die Ulrichs 1863 wegen „widernatürlicher Unzucht“ zur Fahndung ausschrieb. Was sagte August Bebel im Reichstag 1898 zur Homosexualität, und wie wurden 1782 erstmals die schwulen „Galanterien von Berlin“ beschrieben? Die entsprechenden Dokumente sind nun als Scans des jeweiligen Originals kostenlos abrufbar.

Auch die acht folgenden queeren „Big Pictures“ entstammen dieser Bibliographie, sind in der neueren Homosexuellenbewegung weitgehend unbekannt und vermitteln, wie spannend Geschichte sein kann.

1. Welche sexuellen Rechte haben Zwitter?

Ein junger Mensch, der gleichzeitig Junge und Mädchen ist, präsentiert sich nackt und selbstbewusst dem Betrachter. Abgedruckt ist es im Buch „WundtArtzney“ von 1601, in dem der Autor Ambroise Paré hervorhebt, dass Zwitter mit dem Geschlecht Sex haben dürfen, dass sie selbst wollen. Diese Äußerung von ihm und anderen Autoren ist jedoch nicht so liberal, wie es sich zunächst anhört. Das zeigt der folgende Satz: Wenn sie nämlich von ihrer einmal getroffenen Entscheidung abweichen, droht ihnen die Todesstrafe. Nach Paré wurden schon etliche Menschen ergriffen, „welche sich zu beiderley gebrauchen lassen“ und sich mit Männern und Frauen „vermischt haben“.

2. Schwanz und Herz werden auf dem Scheiterhaufen verbrannt

Auf dieser farbigen Zeichnung sieht man Hugh le Despenser (1286-1326), wie ihm auf einer Leiter stehend sein Geschlechtsteil zumindest verletzt wird. Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen schrieb 1701 zum homosexuellen Hintergrund, dass wegen des Vorwurfs der „Sodomiterey“ sein Glied abgeschnitten und (mit seinem herausgerissenem Herz) ins Feuer geworfen wurde. Es war eine offenbar „spiegelnde Strafe“, d.h. dass die Strafe die vorgeworfene Handlung aufgriff. Seinem Sexualpartner, dem englischen König Edward II. (1284-1327), ging es kurz danach kaum anders. Der Legende nach kam er zu Tode, weil man ihm einen glühenden Schürhaken anal einführte.

3. Schwule Liebe aus 1001 Nacht

„Tausend und eine Nacht“ ist eine Sammlung morgenländischer Erzählungen und ein Klassiker der Weltliteratur. In einer dieser Geschichten verlieben sich Prinz Adjib, Sohn des Königs Hassib, und ein hübscher Jüngling ineinander. Beide glauben nicht an die Vorhersehung, dass der Prinz den späteren Tod des Jünglings verursachen wird. Weil dem Prinz jedoch aus Versehen ein Messer herunterfällt und den Jüngling dadurch tötet, erfüllt sich die Prophezeiung. Die beiliegende Zeichnung erschien 1838 in einer der ersten deutschen Übersetzungen – lange bevor Pier Paolo Pasolini diese Geschichte 1974 verfilmte.

4. Ein Nagel in der Vorhaut verhindert den Analverkehr

Ein Mann trägt einen Nagel in seiner Vorhaut. Im entsprechenden Beitrag – der „Medicinischen Bibliothek“ von 1785 – wird auf den Weltumsegler Th. Candish verwiesen, der bereits vor 200 Jahren auf den Einsatz solcher Nägel aufmerksam machte. Jungen und Männer „trugen einen zinnernen Nagel vorn im männlichen Gliede, der an der Spitze gespalten und umgebogen war, den sie aber nach Belieben aus- und einmachen konnten. Diese Sitte war auf Ansuchen der Weiber [der philippinischen Insel] Capul verordnet worden, die dadurch die päderastischen [homosexuellen] Ausschweifungen der Männer verhüten wollten“.

5. Ein selbstgefertigter Doppel-Dildo für lesbische Frauen

In seinem Aufsatz über „Conträre Sexual-Erscheinungen bei der Neger-Bevölkerung Zanzibars“ in der „Zeitschrift für Ethnologie“ im Jahre 1900 verweist Oskar Baumann zunächst auf aktive und passive Homosexuelle. Zwei aus Holz selbstgefertigte Dildos für Frauen können sogar mit warmem Wasser gefüllt werden. Der untere Doppel-Dildo war für die gleichzeitige Verwendung von zwei Frauen vorgesehen. Unter der Bezeichnung „Priape und Olisbos“ finden sich Belege für die Verwendung solcher Dildos auch schon in Aristophanes „Lysistrata“ (411 v.Chr.) und in Petronius‘ „Satyrikon“ (60 n.Chr.), die ebenfalls als Scan angeboten werden.

6. Schwule Satire: Soldaten mit Hämorrhoiden werden ausgemustert

Ein Mann wird wegen Hämorrhoiden ausgemustert. Anlass dieser Satire, mit der man sich über Schwule in der Armee lustig machte, waren die sogenannten Eulenburg-Prozesse der Jahre 1907 bis 1909, als die Homosexualität der engsten Berater von Wilhelm II. öffentlich diskutiert wurde. Die Zeichnung erschien 1907 in der sozialdemokratischen Satirezeitschrift „Der wahre Jacob“, die mittlerweile vollständig im Internet abrufbar ist. Alleine zu den Eulenburg-Prozessen wurden dort mindestens 20 solcher Karikaturen veröffentlicht, die nur einen Teil der Berichterstattung über Homosexualität ausmachen.

7. Die Zensur schwuler Pornographie

Um in seinem Buch „Das Geschlechtleben in Glauben, Sitte und Brauch der Japaner“ von 1907 diese Kultur zu dokumentieren, druckte der Ethnologe Friedrich S. Kraus auch diese deutliche Zeichnung ab. Um strafrechtlich nicht angreifbar zu sein, vertrieb er sie nur an Abonnenten. Trotzdem wurde die zweite Auflage von 1911 wegen diesen Illustrationen vor Gericht verhandelt. Die Einzelheiten zur Verhandlung druckte Kraus in seinem Jahrbuch „Anthropophyteia“ ab, das ebenfalls nicht über den Buchhandel vertrieben wurde, als Scan angeboten wird und heute ebenfalls eine spannende historische Quelle auch zur Homosexualität darstellt.

8. Das schwule Geschlechtsleben der „Wilden“

Vor 100 Jahren erschienen viele Beiträge über „Primitive“, „Wilde“ und „Urwaldvölker“, die mit viel Überheblichkeit und Befremden andere sexuelle Sitten beschrieben. Auch Bronislaw Malinowski fokussierte 1928 in seinem Buch „Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien“ deren sexuelle Umgangformen. Homosexualität sei für die Bewohner nur ein als verächtlich angesehenes Ersatzmittel. Malinowski beschrieb zudem die Spiele der Jugendlichen, die zwar nicht ausgesprochen erotisch seien, aber seiner Meinung nach deutlich auch die Möglichkeit von gleichgeschlechtlichen körperlichen Kontakten böten.

Links zum Thema:
» Online-Bibliographie zur Homosexualität
Mehr zum Thema:
» Homosexualität bei den Simpsons (02.06.2013)
» Dr. Sommer: In der BRAVO wäre mehr möglich gewesen! (24.06.2010)
 (Quelle: queer.de; 13.03.2015)

 

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